Maientag ist kein Kultuerbe
Kein Titel für die Maientag
Kultusministerkonferenz sieht im Brauchtum der Städte Vaihingen, Göppingen, Nürtingen und Owen kein Immaterielles Kulturerbe
Vaihingen/Göppingen/Nürtingen/Owen – Der Vaihinger Maientag ist vorerst kein Immaterielles Kulturerbe der UNESCO. Das hat die Kultusministerkonferenz der Länder am 26. März 2025 in ihrer Sitzung in Berlin beschlossen. „Das Fachkomitee konnte anhand der vorgelegten Bewerbungsunterlagen kein spezifisch definierbares Wissen und Können ausmachen, das während der Maientage generationsübergreifend weitergegeben wird, was jedoch ausschlaggebend für die Definition von Immateriellem Kulturerbe wäre“, heißt es in der Begründung. Neben der Brettspielkultur und den Rotwelsch-Dialekten wurde in diesem Jahr unter anderem das Gold- und Silberschmiedehandwerk in die Kulturerbe-Liste eingeschrieben.
Gemeinsam mit den Städten Nürtingen, Göppingen und Owen hatte sich die Stadt Vaihingen an der Enz im Oktober 2023 darum beworben, das Brauchtum ihrer Maientage in alt-württembergischen Städten in das nationale Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes der UNESCO eintragen zu lassen. Im April 2024 entschied die Landesjury, welche in Baden-Württemberg eingereichten Anträge an die Kultusministerkonferenz (KMK) der Länder weitergeleitet werden. Von dort gingen 64 Bewerbungen aus allen Bundesländern an das Expertenkomitee der Deutschen UNESCO-Kommission. Die endgültige Entscheidung haben nun die KMK und die Beauftragte der Regierung für Kultur und Medien getroffen. Und danach gehören die Feste nicht zum Immateriellen Kulturerbe.
„Die Maientage in alt-württembergischen Städten konnten in dieser Auswahlrunde nicht berücksichtigt werden“, bedauern Professor Dr. Benjamin Jörissen als Vorsitzender des Expertenkomitees Immaterielles Kulturerbe und Udo Michallik, Generalsekretär der Kultusministerkonferenz, in einem Schreiben an Oberbürgermeister Uwe Skrzypek und seine Amtskolleginnen und -kollegen in Nürtingen, Göppingen und Owen.
Für eine Aufnahme in das Bundesweite Verzeichnis müsse eine Kulturform die Kriterien des UNESCO-Übereinkommens zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes erfüllen. Die Mitglieder des unabhängigen Fachkomitees hätten in ihrer Prüfung der Bewerbungen auf folgende Punkte besonderen Wert gelegt:
- eine offene, inklusive und partizipative Traditionspflege,
- eine differenzierte und kritische Reflexion der Geschichte einer Kulturform, insbesondere im 20. Jahrhundert,
- die gesellschaftliche Verankerung und Beteiligung der Zivilgesellschaft in das Brauchgeschehen und in den Bewerbungsprozess,
- die Wandlungs- und Weiterentwicklungsfähigkeit einer Kulturform sowie
- die Darstellung von Erhaltungs- und Weitergabemaßnahmen.
Das Fachkomitee würdigt, dass die Maientage als regionale Kulturform in der Gesellschaft verankert sind und eine identitätsstiftende und pädagogische Funktion vor allem auch für junge Menschen erfüllen. Das Fachkomitee habe jedoch kein spezifisch definierbares Wissen und Können ausmachen können, das während der Maientage generationsübergreifend weitergegeben werde. Vielmehr scheine es sich um eine Vielzahl von Praktiken und Bräuchen zu handeln, die zelebriert würden. Eine charakteristische Praktik sei nicht eindeutig erkennbar.
Oberbürgermeister Uwe Skrzypek bedauert die Entscheidung. „Der Vaihinger Maientag verbindet den Stolz auf das historische Erbe unserer Stadt mit der jährlichen Vorfreude auf ein lebendiges Gemeinschaftserlebnis. Es schlägt die Brücke zwischen Gestern und Heute und der Zukunft“, so Skrzypek. „Die Anerkennung der Tradition und Lebendigkeit des Vaihinger Maientages als Immaterielles Kulturerbe der UNESCO wäre auch im Hinblick auf eine Gartenschau in Vaihingen im Jahr 2029 ein zukunftsweisendes Signal gewesen, den Charme und das Brauchtum der Enzstadt national bekannt zu machen.“ Zur spürbaren Aufbruchsstimmung jedenfalls passe das diesjährige Motto, das ausgerechnet von Pippi Langstrumpf stammt und damit dem Ursprung des Kinderfestes auf besondere Weise gerecht wird: „Das haben wir noch nie probiert, also geht es sicher gut!“ Die Planung der Gartenschau 2029 berge viele Chancen zur Stadtentwicklung, die es optimistisch zu ergreifen gelte. Außerdem stehe es für die lebensfrohe Stadtgesellschaft in all ihrer Vielfalt.
Skrzypek dankt vor allem seinen Amtskolleginnen und -kollegen in den Städten Nürtingen, Owen und Göppingen für ihre große Initiative im Bewerbungsverfahren. „Es war ein wunderbares Beispiel für einen guten kommunalen Zusammenhalt.“
Info:
Das immaterielle Kulturerbe umfasst laut UNESCO „Bräuche, Traditionen, Ausdrucksformen, Wissen und Fertigkeiten“, die von „Gemeinschaften, Gruppen und gegebenenfalls auch Einzelpersonen“ als integrale Teile ihres kulturellen Erbes betrachtet werden. Für eine Aufnahme in das Bundesweite Verzeichnis müssen Kriterien erfüllt werden, die das UNESCO-Übereinkommen zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes von 2003 festlegte: „Dazu gehören unter anderem eine nachweisbare Lebendigkeit sowie die kreative Weitergabe und Weiterentwicklung der Kulturform durch die Trägergemeinschaften.“ Das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes zeigt exemplarisch, welche lebendigen kulturellen Traditionen und Ausdrucksformen in Deutschland praktiziert und weitergegeben werden und beinhaltet nunmehr 168 Einträge.