Nahwärme in Eigenregie der Stadt
icon.crdate16.05.2024
Gemeinderat beschließt Konzept zur schnellen Inbetriebnahme eines Wärmenetzes
Nahwärme in Eigenregie der Stadt
Gemeinderat beschließt ein Drei-Stufen-Konzept zur schnellen Inbetriebnahme eines zukunftsfähigen kommunalen Vaihinger Wärmenetzes
Vaihingen an der Enz – Der Vaihinger Gemeinderat hat in seiner Sitzung am Mittwoch mit großer Mehrheit ein Konzept beschlossen, das eine schnelle, kostengünstige und zukunftsfähige Realisierung des kommunalen Wärmenetzes in städtischer Eigeninitiative und unter Einbindung lokaler Anbieter beschreibt.
Ausgelöst durch die Kapriolen des Energiemarktes waren im Vorfeld der Planung eines Vaihinger Wärmenetzes mehr Fragen als Lösungsansätze entstanden. Der Bau der Wärmeleitungen im Wert von vier Millionen Euro ist allerdings abgeschlossen. Nach der Aufhebung des nicht rechtskonformen Grundsatzbeschlusses des Gemeinderates aus dem Jahr 2022 galt es nun, diese Leitungen schnellstmöglich ans Netz zu bringen – verbunden mit möglichst geringen Kosten für die Stadt und mit attraktiven, verlässlichen Angeboten für Bauherren im Gewerbegebiet Fuchsloch III und im geplanten Wohngebiet Leimengrube.
In Zusammenarbeit mit der gemeinnützigen Ludwigsburger Energieagentur LEA ist ein dreistufiges Konzept entstanden, das eine schnelle, kostengünstige und zukunftsfähige Realisierung des kommunalen Wärmenetzes durch städtische Eigeninitiative und unter Einbindung lokaler Anbieter beschreibt.
Die Gründe für ein schnelles Handeln liegen auf dem Tisch: Sowohl den künftigen Firmen im Gewerbegebiet Fuchsloch III als auch den Bauherren in den Leimgruben muss schnellstens ein konkretes Kosten-Nutzen-Angebot für den Anschluss ans Nahwärmenetz der Stadt unterbreitet werden, bevor sie sich für eine alternative Wärmeversorgung entscheiden. Die Flurstücke im Gewerbegebiet werden wärmeerschlossen verkauft – verbunden mit einer Anschlussempfehlung.
Was ein schnelles Handeln ebenfalls dringlich macht: Der Stadt geht eine Förderung in Höhe von 1,5 Millionen Euro verloren, falls das Netz nicht fristgerecht in Betrieb geht. Das Geld wurde in den Bau der Leitungen investiert und muss bereits verzinst werden. Zudem drohen die bereits verlegten Rohre für das Wärmenetz zu korrodieren, wenn sie ungenutzt in der Erde liegen.
Lokale Energiequellen einbeziehen
Das Konzept der LEA sieht vor, das Wärmenetz möglichst schnell und sicher in Betrieb zu nehmen. Grundsätzlich sollen dabei bereits vorhandene, lokale Energiequellen genutzt werden.
Schritt eins umschreibt eine sofortige Umsetzung mit Inbetriebnahme des Netzes bis Ende 2024. In einer Übergangszeit betreibt der Eigenbetrieb der Stadt, Sparte Wärmenetze, das Netz. Dazu werden schnellstmöglich offene Stellen in der Verwaltung mit Experten in Sachen Energieversorgung besetzt. Da die Stadt das Wärmenetz im Eigenbetrieb selbst betriebt, ist keine Ausschreibung für den Betrieb notwendig.
Als Wärmequellen dient anfallende Wärme des Blockheizkraftwerks (BHKW) der Feuerwehr (dieses muss modernisiert werden, allerdings besteht ein erneuter Anspruch auf KWK-Förderung), der Heizkessel im Stromberg-Gymnasium mit einer Heizleistung deutlich über dem Bedarf des Gebäudes sowie ein zu beschaffender mobiler Biomasse-Kessel (Hackschnitzel-/Pellets). Größter Kostenfaktor ist der Biomasse-Kessel für 190.000 Euro. Als erste Maßnahme steht der Bau eines zusätzlichen Netzabschnitts in der Steinbeisstraße zum Anschluss an das Wärmenetz „Fuchsloch III“ an – auch zur Kompensation von nicht genutzten Rohrlieferungen und Verlegearbeiten im Baugebiet Leimengrube.
Schritt zwei wäre die Integration des bestehenden lokalen Wärmenetzes der Großbuchbinderei Wennberg, die derzeit bereits die Vaihinger Waldorfschule versorgt. Diese nutzt als Wärmequellen Holzhackschnitzel aus Einwegpaletten, ein Erdgas-BHKW und Abwärme aus Kompressoren. Mit der Waldorfschule wäre ein Nicht-Kommunales Gebäude bereits Kunde des städtischen Eigenbetriebes. Die Voraussetzungen zur Förderung des Wärmenetzes nach dem Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz (KWKG) wären damit erfüllt. Voraussetzung wäre ein Vertrag zwischen der Firma Wennberg als Wärmelieferant und der Stadt als Betreiber. Der Maßnahmenkatalog sieht einen sofortigen Start der Verhandlungen und Baumaßnahmen nach einer Absichtserklärung noch im Juni 2024 vor.
Ein dritter Schritt bezieht die Biogas Ensingen GmbH als Energielieferant ein. Diese versorgt bereits einen Teilbereich der Balzhalde im Stadtteil Kleinglattbach. Eine Integration der Kapazitäten ins städtische Netz könnte den mittelfristigen Wärmebedarf mehr als acht Monate im Jahr ohne fossile Energieträger sichern. Voraussetzung ist der Bau eines zusätzlichen Netzabschnitts bis zur Übergabestation Steinbeisstraße. Dazu müsste schnellstmöglich ein Liefervertrag über einen angemessenen Wärmepreis abgeschlossen werden. Die Inbetriebnahme des Netzes könnte im Frühjahr 2025 erfolgen.
Die Gesamtkosten aus den Schritten 1 bis 3 betragen laut Beschlussvorlage schätzungsweise rund 810.000 Euro, zuzüglich der Kosten für die Übernahme und Inbetriebnahme des Wennberg-Netzes. Energiequellen für das Konzept wären Erdgas, Pellets, Hackschnitzel, Abwärme und Biogas (Hauptanteil im Sommer).
LEA übernimmt Projektsteuerung
Die Projektsteuerung übernimmt die Energieagentur Kreis Ludwigsburg. Der gemeinnützige Verein wurde 2006 gegründet, um eine unabhängige Beratung im Bereich Energie und Klimaschutz zu garantieren. Die Stadt Vaihingen an der Enz ist Mitglied. Die LEA befasst sich seit zweieinhalb Jahren intensiv mit dem Thema Nahwärmenetz Vaihingen Enz und hat das jetzige Machbarkeitskonzept partnerschaftlich erarbeitet. Daher ist es sinnvoll, der LEA die aktuelle Projektbetreuung zu übertragen, bis der Eigenbetrieb den Wärmenetzbetrieb übernehmen kann. Die veranschlagten 24.300 Euro (Projektsteuerung) und 18.216 Euro (Beratungsdienstleistung) scheinen der Verwaltung nach eingehender Prüfung fachlich notwendig und kostenseitig erheblich günstiger als die Angebote von Ingenieursdienstleistern auf dem Markt.
Inbetriebnahme ist dringend
Für die Stadtverwaltung und den Oberbürgermeister ist die schnelle Inbetriebnahme des städtischen Wärmenetzes eine dringend zu lösende Aufgabe. Der Aufbau von Kompetenz sei wichtig. „Das gemeinsam mit der LEA erarbeitete, konkret umsetzbare Konzept lässt alle Möglichkeiten in Bezug auf künftige Betriebsmodelle, die Einbindung praxiserfahrener Partner und die Erschließung zukunftsfähiger Energieträger offen“, erklärte er in der Sitzung.
Der Beschluss ziehe einen Schlussstrich unter die kontrovers geführten Auseinandersetzungen zum Thema Wärmenetz für das Baugebiet Fuchsloch III. Gleichzeitig sei das klare Votum des Gemeinderates ein Startpunkt für die konstruktive Inbetriebnahme des Vaihinger Wärmenetzes. „In Zeiten eines anspruchsvollen, dynamischen Energieversorgungsmarktes übernimmt die Stadt mit ihrem Eigenbetrieb unternehmerische Verantwortung“, sagte Skrzypek.